Steffi Gendera, Greeneducation4all

Hintergründe

In Deutschland werden täglich durchschnittlich 52 Hektar Land als Siedlungs- und Verkehrsfläche neu versiegelt, beispielsweise für Gewerbe, Wohnungsbau, Verkehr und Erholungsflächen (Statistisches Bundesamt, 2021). Das ist 1,2-mal die Fläche der Münchner Theresienwiese. Im Jahr 2021 waren es allein in Bayern 10,3 Hektar pro Tag (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 2022 / NABU, 2020). Das entspricht pro Minute der Grundfläche eines Einfamilienhauses. Die Entstehung von zehn Zentimetern fruchtbarem Boden hingegen benötigt 2.000 Jahre. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, existierenden Lebensraum zu erhalten, zu renaturieren oder bestehende Schutzgebiete miteinander zu verbinden. Ein Biotopverbund ermöglicht es Arten zu wandern und zu überleben. Der Erwerb und die Pacht von Flächen zählen daher zu den wichtigsten Instrumenten im Naturschutz, um nachhaltig Lebensräume zu bewahren.

Der rasante Flächenverbrauch macht sich leider auch in Bezug auf die Artenvielfalt bemerkbar. Rund 40 Prozent der Pflanzen- und die Hälfte der Tierarten in Deutschland sind gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Die aktuellen staatlichen Schutzzonen und Nationalparks reichen für einen angemessenen Umweltschutz nicht mehr aus. Der LBV baut deswegen ein Schutzgebietsnetz auf.

Herausforderungen

Flächenankäufe sind teuer und es bedarf viel Zeit und Energie, die Flächen als einzigartigen Lebensraum zu erhalten. Denn nicht nur der Ankauf der Schutzgebiete ist wichtig, sondern auch ihre Pflege und Betreuung.
Der LBV kümmert sich um Biotopflächen wie Moore, Auenlandschaften, Wiesen und Wälder mit regelmäßiger Pflege und Renaturierungsmaßnahmen.

Steffi Gendera, Greeneducation4all

Leistungen und Erfolge

ARCHE NOAH FONDS

In den letzten 30 Jahren konnte der LBV im Rahmen des ARCHE NOAH FONDS rund 3.400 Hektar Land durch Kauf und Pacht schützen. Allein vom 1.10.2021 bis zum 30.9.2022 konnten rund 111 Hektar Biotopflächen im Gesamtwert von fast 3,5 Millionen Euro erworben werden. Zu diesen Flächen gehören beispielsweise Moore, Trockenrasen, Teiche, Wildblumenwiesen, Streuobstwiesen, Wälder und Kiesgruben. Viele dieser Flächen sind Heimat für bedrohte Arten. Das Artenvorkommen auf den geschützten Flächen ist merklich höher als auf konventionell genutzten Flächen, da hier die Abläufe der Natur nicht durch den Menschen gestört werden und der Lebensraum wie ein Mosaik zusammengesetzt ist.

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling. (LBV / Dr. Eberhard Pfeuffer)

Wiesenknopf-Ameisenbläuling

Nahe Oberhembach im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz besitzt der LBV ein kleines Grundstück. Die extensive Feuchtwiese liegt im FFH-Gebiet und ist ein schützenswertes Kleinod. Dort kommt der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling vor. Dieser Schmetterling ist nicht nur ausgesprochen selten und hübsch anzusehen, sondern dazu noch eine ausgesprochen interessante Art. Sein Leben und Überleben hängt maßgeblich von einer Pflanze, dem Großen Wiesenknopf, aber auch von Ameisen, genauer gesagt der Roten Knotenameise ab. 

Sein Lebenszyklus ist ebenso interessant wie komplex: Die Eiablage findet ab Mitte Juni ausschließlich auf den Knospen des Großen Wiesenknopfes statt. Die Raupen schlüpfen dort und fressen an den Blütenköpfen. Nach einiger Zeit lassen sie sich zu Boden fallen und warten, bis sie von der Roten Knotenameise aufgesammelt und in ihren Bau getragen wird. 

Und jetzt wird es richtig verrückt: 

Im Bau angekommen wird die Raupe die nächsten 300 Tage bis zu ihrer Verpuppung von den Ameisen wie die eigene Brut gefüttert, obwohl sie sich räuberisch von deren Eiern und Larven ernährt. Sie frisst Ameisenlarven und überlässt den Ameisen im Gegenzug ein zuckerhaltiges Sekret. Hinzu kommt, dass die Raupen in der Lage sind, den Nestgeruch der Ameisen zu imitieren. Nach dem Schlüpfen aus der Puppe muss der Schmetterling das Ameisennest allerdings rasch verlassen, denn nun funktioniert die Tarnung nicht mehr und der Schmetterling wird als Beute betrachtet. Im Frühling flüchtet er deshalb nach draußen und der Lebenszyklus beginnt von Neuem. 

Damit der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling überleben kann, müssen also eine Reihe von Voraussetzungen gegeben sein. Wichtig sind feuchte Wiesen, auf denen der Wiesenknopf vorkommt. Dazu sollte die Mahd der Wiesen nicht vor September erfolgen, damit die Raupe ausreichend Zeit hat sich zu entwickeln und von den Ameisen aufgenommen zu werden. Zudem müssen die Voraussetzungen für das Vorkommen der Roten Ameisen erfüllt sein.

Die Geschichte des Dunklen Wiesenkopf-Ameisenbläulings ist nur ein Beispiel dafür, wie komplex die Zusammenhänge in der Natur oft sind, wie abhängig Arten voneinander sind und wie wichtig es somit ist, auch die kleinste, noch so unbedeutsam scheinende Art zu schützen und zu erhalten, da sonst ein komplettes Ökosystem zerstört werden könnte.

Die rote Ameise bringt die Schmetterlingsraupe in ihren Bau. (LBV / Ralph Sturm)

SCHON GEWUSST?

Der Flächenerwerb erfolgt beim LBV auf passiven und aktiven Wegen. 

Immer wieder kommen Flächeneigentümer*innen, aber auch Naturschutzbehörden direkt auf den Naturschutzverband LBV zu. Eigentümerinnen und Eigentümern ist es oft wichtig, dass ihre Fläche auch in Zukunft der Natur nützt und geschützt wird. Manchmal können sie sich selbst nicht (mehr) um eine angemessene Pflege kümmern. In seltenen Fällen erhält der LBV auch Flächen über Schenkungen und Erbschaften. Für Behörden ist es zum Beispiel im Rahmen von Projekten wichtig, einen Flächenträger zu finden, denn sie haben in der Regel kein Flächenmanagement und sind auf Verbände für die Umsetzung von Maßnahmen angewiesen. 

Der LBV erwirbt aber auch aktiv Flächen, zum Beispiel durch das Ausüben von Vorkaufsrechten (Art. 39 BayNatSchG). Das Vorkaufsrecht kann durch das Landratsamt auch zugunsten eines Naturschutzverbands ausgeübt werden. Wenn der LBV über eine solche Möglichkeit informiert wird, muss möglichst rasch eine Entscheidung darüber gefällt werden, ob er die Fläche übernehmen möchte. Ausgleichsflächen werden grundsätzlich nicht vom LBV angekauft oder übernommen.

Bevor eine Fläche angekauft oder dem LBV überlassen wird, werden diese Flächen fachlich, finanziell und auf Risikofaktoren geprüft. Erst wenn alle Kriterien erfüllt sind, stimmt der LBV einem Ankauf oder einer Überlassung zu.

Steffi Gendera, Greeneducation4all
LBV | 3.1 Schutzgebiete und Flächenankauf
Markiert in: