Steffi Gendera, Greeneducation4all

Hintergründe

Die Menschen in Europa begannen vor circa 7.500 Jahren Landwirtschaft zu betreiben. Dies war wegen des beständigen Klimas, dem Vorkommen von Wildgetreide und domestizierbaren Wildtieren möglich. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die landwirtschaftliche Arbeit ein langsamer, oft händischer und mühsamer Prozess. Dadurch konnten nicht allzu viele Flächen bestellt werden und der Ertrag war vergleichsweise gering.

Seit den 50er Jahren sorgen neue Maschinen, Düngemittel, hochgezüchtete Feldfrüchte und Getreidesorten dafür, dass in kurzer Zeit mit weniger Personaleinsatz große Felder bewirtschaftet werden können. Feldgehölze, Wegraine und Brachen mussten immer größeren Feldern und intensivierter Nutzung weichen und sind weitestgehend aus dem Landschaftsbild verschwunden – und mit ihnen auch wichtige Lebensräume. Auf unseren landwirtschaftlichen Flächen wird schon lange nicht mehr nur Nahrung für uns Menschen produziert, sondern auch Tierfutter und Rohstoffe für Biogasanlagen und Biosprit. Reste der verwendeten Pestizide und Kunstdünger lassen sich mittlerweile im Grundwasser nachweisen. Intensive Bewässerung kann zu Wasserknappheit, Bodenversalzung und ökologischen Schäden führen.

Heute sind knapp 50 Prozent der Fläche Bayerns und Deutschlands landwirtschaftlich genutzt. Die Art der landwirtschaftlichen Nutzung und die Vergabe von Agrarsubventionen sind deshalb die wichtigsten Stellschrauben, um Biodiversität in der Kulturlandschaft zu erhalten und weiter zu fördern.

Herausforderungen

Viele wild lebende Pflanzen- und Tierarten in Deutschland teilen ein Schicksal: Sie werden weniger. Der Feldhamster etwa, früher so häufig, dass er teilweise noch bis 1990 gejagt werden durfte, ist heute vom Aussterben bedroht. Ähnlich ergeht es dem Kiebitz, der 80 Prozent seiner Artgenossen zwischen 1990 und 2013 verloren hat. 41 Prozent der Wildbienenarten, eine der wichtigsten Bestäubertiergruppen in Deutschland, sind in ihrem Bestand gefährdet. Seit 1980 geht auch der Bestand von etwa der Hälfte aller Vogelarten, die auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen, Weiden und Äckern leben, deutlich zurück. Bei den Vögeln des Grünlands sind sogar fünf von sieben Arten betroffen. Gefährdet ist auch mehr als ein Drittel aller Ackerwildkrautarten, die ihren Lebensraum zwischen Kulturpflanzen wie Getreide und Gemüse haben. Diese Beispiele stehen stellvertretend für viele weitere Arten, die meist still und unbemerkt verschwinden (Agrar-Atlas, 2019).

Der LBV fordert eine nachhaltige Agrarpolitik und eine abwechslungsreiche bayerische Kulturlandschaft als Lebensraum für bedrohte Tiere und Pflanzen sowie als Erholungsraum für uns Menschen. Nicht nur Flächenerträge, auch andere Leistungen der Landwirtschaft brauchen wieder eine Wertschätzung: biologische Vielfalt, sauberes Wasser, gesunder Boden. Die Agrarpolitik ist der entscheidende Faktor, um diese Entwicklung in unserer Kulturlandschaft einzuleiten.

In vier Zielen und dementsprechenden Maßnahmen hat der LBV festgehalten, wie diese Entwicklungen bis 2030 gelingen können:

Leistungen und Erfolge

Volksbegehren Artenvielfalt: „Wir haben Naturschutzgeschichte in Deutschland geschrieben!“

Um den massiven Artenrückgang zu verhindern, haben sich die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP Bayern), der LBV, Bündnis 90/Die Grünen Bayern und die Gregor Louisoder Umweltstiftung zum Trägerkreis Volksbegehren Artenvielfalt zusammengeschlossen. Unterstützt werden sie durch ein breites gesellschaftliches Bündnis von über 200 Organisationen, Unternehmen, Verbänden und Parteien. 1,8 Millionen Bürger*innen in Bayern haben für das Volksbegehren gestimmt. Mit vollem Erfolg wurde am 17. Juli 2019 das Gesetzespaket aus dem Volksbegehrensgesetz und das Ergänzungsgesetz im Landtag beschlossen. Das neue Naturschutzgesetz ist eine Lebensversicherung für die Artenvielfalt und beinhaltet folgende Themen:

Eine bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere schaffen.

Hecken, Bäume und kleine Gewässer in der Landwirtschaft erhalten.

Blühende Randstreifen an allen Bächen und Gräben anlegen.

Die ökologische Landwirtschaft massiv ausbauen.

10 Prozent aller Wiesen in Blühwiesen umwandeln.

Alle staatlichen Flächen pestizidfrei bewirtschaften.

Naturschutz als Teil der Ausbildung von Land- und Forstwirt*innen etablieren.

Der Artenschutz und die Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft sind eng miteinander verbunden. Beide Seiten – Natur und Landwirtschaft – müssen gewinnen. Landwirte müssen fair bezahlt werden, damit sie sich überhaupt noch um die Natur kümmern können. Subventionen müssen gerecht verteilt und nicht nach Fläche ausbezahlt werden. 

Startschuss zum Volksbegehren Artenvielfalt. (LBV / Toni Mader)

SCHON GEWUSST?

Unter den Greifvögeln brüten ausschließlich die Weihen in Bodennestern. Wiesenweihen legen ihre Eier gerne in Kornfeldern ab. Wie alle bodenbrütenden Vogelarten sind auch sie stark bedroht. In Unterfranken betreut der LBV das Artenhilfsprojekt Wiesenweihe.

Flammen-Adonisröschen (Adonis flammea), Zottel-Wicke (Vicia villosa), Ackerröte (Sherardia arvensis), Venuskamm (Scandix pecten-veneris) oder Braunes Mönchskraut (Nonea pulla): Diese schönen Namen gehören Ackerwildkräutern. Zwei Drittel davon gelten in Bayern bereits als gefährdet oder ausgestorben. 

LBV | 2.3 Landwirtschaft
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