Die Johanniter Weihnachtstrucker feierten im vergangenen Jahr bereits ihr 30-Jähriges Jubiläum. Wir haben mit Ulrich Kraus, dem Projektmanager, über die Entwicklung des Projekts, besondere Erlebnisse und die Zukunft gesprochen.

Wie und wann bist du zu den Johannitern gekommen?

„Ich habe damals den klassischen Weg über den Zivildienst gewählt. 2006 durfte ich meinen Zivildienst beim Rettungsdienst in Augsburg beginnen. Nach den neun Monaten bin ich im Rettungsdienst hängengeblieben und habe danach einige Zeit als Rettungssanitäter bei den Johannitern gearbeitet.“

Wie und von wem wurde das Projekt gestartet?

„Das Projekt Weihnachtstrucker gibt es bereits seit 1993, wir hatten also im vergangenen Jahr unser 30-jähriges Jubiläum. Der Startschuss ging damals von einem Bayerischen Radiosender aus. Damals liefen viele Bilder aus Rumänien durch die deutschen Fernseher, beispielsweise wie es dort in den Kinderheimen aussah. Deshalb dachte sich der Radiosender, wir könnten doch eine Hilfsaktion starten. Sie haben dann in einer Trucker Sendung namens „On the Road Again“ zu Spenden für Osteuropa aufgerufen. Es wurde aber relativ schnell klar, dass sie zwar viel Reichweite haben und auch viele Spenden bekommen, Unterstützung in der Logistik benötigen, sprich wie ein Paket von Deutschland über Österreich nach Osteuropa kommt. Es war damals noch nicht ganz so einfach über die Grenzen zu kommen. So ist dann die Zusammenarbeit mit den Johannitern und einigen anderen Partnern entstanden. Schon damals waren die Johanniter vor allem für die Logistik und Partnerakquise zuständig.“

An welche Erlebnisse erinnerst du dich besonders bei den Weihnachtstruckern?

„An sehr vieles. Als ich damals 2012 angefangen hab war ich „nur“ für die Logistik zuständig, sprich vereinfacht gesagt, wie kommt ein Paket von München nach Albanien. Das habe ich damals so neben meinem Rettungsdienstjob gemacht. Über die Jahre ist das Projekt dann so gewachsen, dass eine bundesweite Aktion daraus geworden ist, sogar die Johanniter in Österreich machten mit. Anstatt drei Zielländer haben wir mittlerweile sogar sechs Zielländer. Diese Entwicklung allein, finde ich, ist eigentlich eine unglaublich schöne Geschichte. Natürlich sind es aber auch die Eindrücke vor Ort. Ich habe in Albanien angefangen Pakete zu verteilen. Wenn man da sieht, wie die Menschen in Albanien leben müssen, wie Kinder dort aufwachsen und wie schön es ist noch Menschen zu sehen, die sich über eine Zahnpasta freuen. Mich hat es einfach geprägt die Kinder zu sehen, wie sie eine Tafel Schokolade bekommen und so weiter. In der jüngsten Vergangenheit ist es auch der Krieg in der Ukraine. Ich persönlich war Ende Januar noch in der Republik Moldau, wohin wir ebenfalls sehr sorgenvoll sehen. Wie geht es dort weiter? Weitet sich der Krieg dorthin aus? Das sind die Geschichten, die der Weihnachtstrucker geschrieben hat und leider Gottes auch weiterhin schreiben wird.“

Wie lief das letzte Jahr?

„Super zufrieden! Wir haben auch beim Weihnachtstrucker gemerkt, dass die Spendenbereitschaft zurück geht. Diese Erfahrung machen wir zurzeit leider in vielen Projekten. Nichtsdestotrotz konnten wir die Paketzahlen sogar ein wenig erhöhen. Wir haben auch sehr viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die dann in verschiedenen Zielländern unterwegs sind. Es ist nichts Größeres passiert und niemand wurde verletzt. Die Abwicklung insgesamt hat auch dieses Mal wieder super funktioniert und wir können richtig stolz sein.“

Wie bekannt sind die Weihnachtstrucker mittlerweile in den Zielländern? Sind die Menschen noch überrascht?

„Teils, teils. Wir stellen immer wieder fest, dass es für viele auch mit einem Schamgefühl verbunden ist, die Hilfe anzunehmen. Es ist nicht so, dass da jetzt alle immer glücklich sind. Wir verteilen auch an die Tafel in Deutschland Pakete, da kann man beobachten welche verschiedenen Gesellschaftsgruppen zur Tafel gehen, von Studierenden bis Rentner*innen. Einige von ihnen wollen eben eher nicht zugeben, dass sie zur Tafel gehen. So ist es auch in beispielsweise Albanien. Auf der anderen Seite sagen aber auch viele: „Was? Kommt ihr jetzt wirklich extra aus Deutschland um uns so ein Paket, das Familien in Deutschland gepackt haben, zu geben?“ Man muss dazu sehen, dass wenn das Paket nicht ankäme, hoffentlich nicht alle deshalb verhungern würden. Es ist einfach ein Zeichen, dass wir auch in schwierigen Zeiten an die Menschen denken. Allerdings sind in der Ukraine die Pakete teilweise wirklich sehr, sehr wichtig, vor allem weil eben im Osten die komplette Infrastruktur zusammengebrochen ist. Beim Weihnachtstrucker ist es wichtig den Päckchenpackern zu zeigen: So ein Päckchen Mehl einzupacken tut den meisten von uns kaum weh, während es woanders sehr helfen kann.“

Wo siehst du aktuell noch Herausforderungen oder Verbesserungspotential bei den Weihnachtstruckern?

„Bei uns ist die größte Herausforderung ganz klar die Logistik im Vorfeld. Dieses Jahr hatten wir zum Beispiel fast 60.000 reale Pakete. Diese dann abzuholen, in Lager zu packen und weiterzuleiten ist einfach ein unglaublicher logistischer Aufwand. Dazu kommt, dass die meisten Schulen möchten, dass man die Pakete bei Ihnen abholt. Solche Dinge sind für uns eine riesengroße Herausforderung. Wir sind kein Logistikunternehmen, deshalb ist man immer wieder auf Partner angewiesen, die uns hier und im Ausland unterstützen, weil es einfach auch sehr viel Geld kostet. Ansonsten fragen wir uns mit Blick in die Ukraine und die Republik Moldau, wie weit kommen unsere Pakete, wegen des Krieges, überhaupt noch zu den Menschen. Da müssen wir schauen, wie wir auch weiterhin helfen können.“

Was sind deine oder eure Aufgaben während den Monaten bis zum Start der Aktion?

„Im Prinzip ist der Weihnachtstrucker eigentlich erst Ende März abgeschlossen. Aktuell planen wir auch schon die ersten Packaktionen aus dem virtuellen Bereich. In wenigen Wochen fahren drei meiner Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel nach Bosnien und starten dort mit einem Partner eine Packaktion, wo wir für 10.000 € vor Ort einkaufen, verpacken und an Hilfsbedürftige austeilen. Ich pflege nebenher beispielsweise auch mit unseren Partnern in Deutschland den Kontakt, um auch zu besprechen, was optimiert werden kann. Natürlich sind es auch Aufgaben im Marketing, bald wird schon wieder der Flyer für den Weihnachtstrucker 2024 gestaltet. Ich überlege mir auch wie wir das Thema Fundraising noch ausbauen können, da habe ich immer 1000 Ideen im Kopf. Ansonsten halte ich oft Präsentationen, auch um den Weihnachtstrucker bekannt zu machen. Je besser wir im Sommer arbeiten, desto reibungsloser läuft es dann im Winter.“

Spielt der Umweltschutz eine Rolle in der Planung?

„Ja das spielt eine sehr große Rolle, generell das ganze Thema Nachhaltigkeit. Es stellt sich natürlich immer die Frage wo fängt Nachhaltigkeit an. Für mich fängt das Thema schon da an, wenn wir unseren Kindern beibringen, dass es eben nicht selbstverständlich, dass es Mehl, Zucker und Nudeln einfach im Vorratsraum gibt. Bezogen auf die Umwelt, versuchen wir zum Beispiel weniger LKWs zu schicken. Dafür haben wir die Packliste umgeschrieben, um von 13 auf 11,5 Kilo pro Paket zu kommen. Das bedeutet, dass wir 400 Päckchen mehr auf einen LKW laden können, dadurch können wir uns irgendwann mal einen ganzen LKW sparen. Wir versuchen auch mit Speditionen in Kontakt zu treten, die möglicherweise sowieso nach Rumänien fahren und fragen ob sie vielleicht noch ein paar Palletten mitnehmen und bei unseren Partnern abladen können. Letztendlich muss man immer abwägen, was macht wirklich Sinn, was ist wirklich nachhaltig und was eben nicht. Selbstverständlich beleuchten wir ständig unsere Prozesse, um zu sehen, ob sie nachhaltig sind und was optimiert werden kann.“

Könntest du dir auf lange Sicht auch vorstellen Päckchen in Zielländer außerhalb Europas zu verschicken?

„Nein. Da müssen wir einfach sehen, was unser Ziel ist. Der Fokus ist und bleibt auf Osteuropa, mittlerweile auch auf Deutschland. Es ist auch die Frage, auch wenn wir Weihnachtstrucker heißen, was macht noch Sinn mit LKWs zu verschicken oder wo ist es besser vor Ort einzukaufen etc. Mittelfristig sehe ich den Weihnachtstrucker in Osteuropa und nicht weiter. Mit weiteren Ländern wie Serbien und Bulgarien haben wir in Osteuropa einfach noch großes Potenzial und auch durch das Thema Ukraine haben wir in den nächsten Jahren dort einfach genug zu tun.“

Wie beurteilst du die Entwicklung der Spenden und was erwartest du in Zukunft?

„Das ist ein sehr spannendes Thema, mit dem ich mich fast täglich beschäftige. Beim Weihnachtstrucker haben wir jetzt festgestellt, dass das virtuelle Päckchen einfach bei jung und alt zieht. Wir haben aber auch gemerkt, dass es vielen Leuten darauf ankommt Päckchen zu packen, weil sie das Gefühl haben, dass das Geld irgendwo versickert. Bei den Weihnachtstruckern haben wir in den letzten Jahren ein Projekt geschaffen, bei dem wir fast alle Spender*innen abholen können. Wir haben nur sehr wenige, die das Projekt kritisieren. Es ist auch in Zukunft das Ziel jüngere Menschen vom Projekt zu begeistern. Generell sind wir auf einem guten Weg. Es bleibt trotzdem spannend, denn die Spender*innen werden immer weniger, gleichzeitig gibt es mehr Projekte und mehr Krisen. Die Herausforderung wird sein, sich mit gewissen Themen abzuheben und das Projekt attraktiv zu machen.“

Interview mit Ulrich Kraus – Johanniter Weihnachtstrucker