Gestresst saß ich im Auto. Na toll, schon wieder Stau. Dabei muss ich doch ganz schnell nach Göppingen kommen, ich bin sowieso schon spät dran. Irgendwie war ich total nervös. Aber wenn ich mich an die letzte Woche erinnere, dann wundert mich das nicht. Schließlich war alles sehr chaotisch.

Damals hatte ich als Newcomerin in Göppingen meinen zweiten Einsatz. Im Quartier angekommen, merkte ich, dass die Stimmung unglaublich gedrückt war und sich sofort alle in ihre Zimmer verzogen. Also so ganz ungewöhnlich für Wesser. Am nächsten Tag kam niemand zum Frühstück und das Gesprächstraining war auch nur alibimäßig. Das heißt, der Teamchef war in seinem Zimmer und ich habe versucht dem neu angekommenen Newcomer die wichtigsten Grundlagen näherzubringen. Den ganzen Tag wurden wir alle von unserem Teamchef gehetzt so viele Mitglieder wie möglich zu schreiben. Beim Abendessen stellte sich dann heraus, dass er gar nicht arbeiten war… Ich habe mich dort gar nicht wohlgefühlt und wollte so schnell wie möglich weg. Mein Wunsch ging tatsächlich in Erfüllung. Denn am Dienstagabend kam Oli überraschenderweise zu Besuch. Er erklärte uns, dass es so nicht weitergehen kann und der „Teamchef“ so auch nicht weitermachen wird. Deswegen sollten wir alle in das Team nach Karlsruhe zu Johnny Lam gehen. Die anderen Teammitglieder haben sich vielsagend angeschaut und genickt. Ich saß da und war verwirrt. Ich hatte keine Ahnung, was hier gerade abging. Später wurde ich darüber aufgeklärt, dass der Teamchef, der selbst noch ganz neu bei Wesser war, in der letzten Woche mit dem ganzen Team nicht gearbeitet hat, nachdem sein Coach gegangen war. So sollte ich mich darum kümmern das ganze Team reibungslos umzusiedeln. Denn ich war diejenige, mit der  meisten Erfahrung, obwohl ich mich selbst noch wie ein kleiner Frischling fühlte. Unser ursprünglicher Teamchef wurde später gekündigt. In Karlsruhe bekam ich jedoch einen Anruf von Oli, der mich fragte, ob ich nicht Lust hätte als Teamleiterin in Göppingen zu arbeiten. Ich wurde nervös, weil ich keine Ahnung, was ich antworten sollte. Schließlich habe ich selbst mitbekommen, was alles schief gehen kann und letztendlich ist es eine verdammt große und verantwortungsvolle Aufgabe. Trotzdem wollte ich die Chance ergreifen und daran wachsen können. Außerdem dachte ich mir, dass Oli schon wissen wird, was er macht.

Und so kam es also, dass ich wieder auf dem Weg nach Göppingen war, auch wenn ich sehr froh gewesen bin, da weggekommen zu sein. Ich wollte die neue Woche mit optimistischen Gedanken angehen. Das gelang mir aber nur teilweise. Ich spürte nämlich immer noch die Angst und die Nervosität, die weiterhin an mir nagte. Trotz dessen wusste ich auch, dass ich das hinbekomme. Ich bin ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Aber diese Zerrissenheit war vielleicht auch das größte Problem während meines Einsatzes als Teamleiterin. Das wusste ich zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber es sollte vieles schief gehen und mir Sorgen bereiten.

Ich hatte ein Team mit fünf Newcomerinnen. Wir waren alle Mädels. Daher konnte ich also nur hoffen, dass wir nicht alle unsere Tage gleichzeitig bekommen würden… Als Unterstützung hatte ich aber auch einen Coach an meiner Seite, der mir helfen sollte, einen guten Start zu haben. Aber schon am Sonntagabend musste ich meine Spontanität beweisen. Denn eine der fünf Newcomerinnen ist anstatt nach Göppingen  zu kommen nach Göttingen gefahren. In dem Moment war ich so gestresst, dass ich fast sauer auf sie war. Ich wusste aber ebenso, dass ich zu den Kandidaten gehöre, denen das auch passieren würde. So kam sie erst nach 24 Uhr in Göppingen an. Daher hielt ich also meine erste Regierungserklärung ohne sie und versuchte sie später über die wichtigsten Dinge kurz und knapp aufzuklären. Während der Regierungserklärung war ich am Anfang sehr unsicher und hatte Angst irgendwas zu vergessen. Ich versuchte mich aber so selbstverständlich wie möglich zu geben, wie eben vor der Haustür. Am Montagmorgen kam dann das nächste Problem: eine der Newcomerinnen wollte nicht zum Frühstück kommen und auch nicht am Gesprächstraining teilnehmen. Ihr wurde nämlich gesagt, sie müsse erst um 13 Uhr anfangen zu arbeiten. Deswegen will sie davor schlafen…und so kam es zur ersten Diskussion mit einer der Newcomerinnen und meinem Coach, bei der ich nur danebenstand und so sprachlos war wie ein Stein. Weil die beiden sich so anschrien, wollte ich zu diesem Gefecht gar nichts beitragen. Von solchen Diskussionen sollte es bis Mittwoch leider noch ein paar geben. Trotz allem habe ich es irgendwie geschafft ihnen die Grundlagen eines Gesprächs beizubringen und versuchte während der Autofahrt mit aufmunternden Worten und viel motivierender Musik die Stimmung zu heben. Ich ging mit jeder an die Tür um ihnen den Einstieg so gut wie möglich zu erleichtern. Als ich sie abends aber wieder in ihren einzelnen Gebieten abholen wollte, waren sie alle gemeinsam in einem Restaurant und erzählten mir, dass sie schon um 19 Uhr aufgehört hatten zu arbeiten. Als ich das hörte, bin ich aus allen Wolken gefallen. Denn es war ganz klar kommuniziert worden, dass wir bis um halb neun arbeiten. Deswegen folgte während des Abendessens die nächste Diskussion mit meinem Coach und den Newcomerinnen. Am nächsten Tag wurde dann über die Bezahlung diskutiert, weil man anscheinend mindestens 2000 Euro im Monat bei Wesser verdient. So langsam verging mir der Appetit und ich hatte nur noch Magenschmerzen, da wir bis zu diesem Zeitpunkt kein gemeinsames Essen ohne Streitereien hatten. Zum Glück hat sich aber am Mittwoch etwas Grundlegend verändert. Denn mein Coach riet mir zwei der Newcomerinnen zu kündigen aufgrund von Arbeitsverweigerungen. Eine andere Newcomerin wollte aus eigener Entscheidung gehen, was ich sehr traurig fand, weil sie mir sehr sympathisch schien. So waren wir also nur noch zu dritt zur Mitte der Woche. Damit wollte ich einen Neubeginn starten. Denn egal wie mies die Stimmung war, mieser konnte sie nicht mehr werden und ich musste damit bis zum Ende meines Einsatzes zurechtkommen. Daher wollte ich das beste aus der Situation machen und optimistisch sein. Schließlich ist mit einem kleinen Team vieles leichter. So hatten wir die Chance uns besser auf uns zu konzentrieren. Das führte dazu, dass wir auf einmal eine ausgelassene Stimmung hatten wie in jedem normalen Team bei Wesser. Wir konnten mit einem Auto ins Gebiet flitzten, uns vor dem Arbeiten gegenseitig aufmuntern und abends gemütlich zusammen kochen. Oft waren wir auch auf unserer schönen Sonnenterrasse und verbrachten die Abende mit Lachen und Quatschen. Schließlich stieg mit der positiven Stimmung sogar die Leistung und am Ende der Woche konnte ich doch noch ganz zufrieden mit mir sein. Wir hatten zwar einen schlechten Start, aber gemeinsam konnten wir ab Mittwoch eine richtig coole Woche hinlegen. Auch wenn wir in Göppingen waren, das zuerst mein eigener, kleiner Alptraum war. Daran konnte ich sehen wie wichtig es ist, ein Wohlfühlklima im Team zu haben.

Wie vorhergesehen konnte ich aus diesem ersten, kleinen Einsatz Einiges lernen und mitnehmen. So dass mein zweiter Einsatz in Augsburg im März diesen Jahres richtig schön war. Ich hatte einen super guten Coach, der mir sehr viel geholfen hat und mich sehr unterstützte. Im Team haben wir viel gelacht und waren sehr fleißig. Abends wurde es zur Gewohnheit, dass wir uns Gesichtsmasken machten. Zum Abschluss gingen wir mit unserer verdienten Bronzemedaille in einem Burger Restaurant essen.

Auch wenn ich noch nicht so viele Einsätze als Teamleiterin hatte, kann ich es jedem empfehlen so eine Erfahrung zu machen. Denn man nimmt Vieles mit und kann sich selbst weiterentwickeln. Man lernt tatsächlich die Grundlagen als Führungsposition, da man letztlich Schnittstelle zwischen Wesser, den Johannitern und den eigenen Teammitgliedern ist. Man lernt aber auch Aufgaben abzugeben und zu delegieren. Vor allem aber habe ich gemerkt, wie wichtig ein gutes Wohlfühlklima ist. Außerdem kann ich jeden beruhigen, mit ein bisschen Erfahrung ist es unglaublich witzig und macht ganz viel Spaß…wie immer bei Wesser. 😊

Pia Lisa Kraus | Wie ich zur Teamchefin wurde